this post was submitted on 04 Dec 2023
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Noch am Montag hatte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses angekündigt: Die Entkriminalisierung von Cannabis werde im Dezember im Bundestag final verabschiedet. Daraus wird nun nichts. Die SPD-Fraktionsspitze ist dagegen.

Die Nachricht verbreitete sich wie ein Lauffeuer im Netz: Der in der SPD-Bundestagsfraktion für das Thema Cannabis zuständige Gesundheitspolitiker Dirk Heidenblut MdB verkündete am Wochenende über Social-Media, dass die eigentlich für die letzte Sitzungswoche des Jahres geplante finale Lesung des Cannabisgesetzes (CanG) nicht zustande komme. Der Grund: Die Spitze seiner SPD-Fraktion habe Bedenken gegen die Aufsetzung geltend gemacht. Diese, so erklärte der bekennende Legalisierungsfreund per Videobeitrag, könne er zwar nicht nachvollziehen, die Aufsetzung werde aber nun ins nächste Jahr vertagt. Weitere Einzelheiten wollte Heidenblut nicht verraten.

Das kurzfristige Veto der SPD-Fraktion gegen die finale Beschlussfassung überraschte indes nicht nur die sog. Cannabis-Community, sondern auch die Koalitionspartner. So reagierte die Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestages, Dr. Kristine Kappert-Gonther (Bündnis 90/Die Grünen) enttäuscht: "Es ist außerordentlich bedauerlich, dass Cannabis bisher nicht auf der Tagesordnung steht. Eine Aufsetzung wäre möglich gewesen", schrieb die Abgeordnete auf X (vormals Twitter).

Kappert-Gonther hatte vergangenen Montag angekündigt, dass die Ampel das Gesetz noch im Dezember beschließen werde, nachdem man sich mit dem federführenden Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Minister Karl Lauterbach (SPD) über Änderungen am ursprünglichen Regierungsentwurf geeinigt hatte.

Ursache für SPD-Bremsmanöver unklar

Worin die Bedenken in der SPD bestehen, wollte die für Cannabis in der SPD-Fraktion zuständige Rechtspolitikerin Carmen Wegge nicht verraten: "Wenden Sie sich hierzu am besten direkt an die Fraktionsspitze, sie kann Ihnen die Frage beantworten." Doch auch die "Fraktionsspitze" schweigt bzw. spricht in Allgemeinplätzen. Eine Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion erklärte: "Das im Koalitionsvertrag verabredete Cannabis-Gesetz befindet sich auf der Zielgeraden. Wir sind zuversichtlich, das Gesetz im neuen Jahr im Bundestag zeitnah zu verabschieden. Damit wird der Weg frei für mehr Gesundheitsschutz in der Cannabispolitik."

Unklar bleibt damit auch, ob die SPD-Fraktionsspitze mit dem Gesetz inhaltlich ein Problem hat oder ob ihr nur der Zeitpunkt der Verabschiedung in Zeiten der Haushaltskrise kurz vor Weihnachten unpassend erscheint. Und "Zuversicht" der SPD-Pressesprecherin hin oder her: Nicht ausgeschlossen erscheint, dass das Gesetz "auf der Zielgeraden" vielleicht auch noch komplett gestoppt wird.

Das aktuelle Bremsmanöver der SPD-Fraktion passt im Grunde zum bisherigen Werdegang des Gesetzes. So ist das Ampel-Vorhaben "Cannabis-Legalisierung" seit Anfang an von beispiellos inhaltlichen Fehleinschätzungen, Streit innerhalb der Bundesregierung und reihenweise Verzögerungen geprägt: Eckpunktepapiere mussten nachgebessert werden, das Vorhaben wurde auf zwei Säulen verteilt, schon die erste Lesung des Säule-1-Gesetzes wurde im Oktober - angeblich - wegen des Angriffs der Hamas auf Israel vertagt und eine ursprünglich für November geplante finale Beschlussfassung scheiterte aufgrund von Unstimmigkeiten zwischen Fraktionen und BMG.

[...]

Dass die SPD-Fraktionsspitze jetzt die finale Cannabis-Abstimmung für dieses Jahr abgesagt hat, stieß auch in Teilen der Opposition auf Kritik. "Es ist politisch so dumm, dass die SPD-Führung das Cannabis-Gesetz aufhält", empörte sich der stellvertretende Parteivorsitzende und drogenpolitische Sprecher der Linken Ates Gürpinar auf X. "Sie beugt sich dem Kulturkampf der Rechten einmal mehr - und macht sie damit größer. Das Rumgeiere bei der Legalisierung hält das Thema von rechts am Kochen. Ziehts halt durch, verdammt nochmal", so der Abgeordnete.

Versprechen aus Koalitionsvertrag längst gebrochen

Längst steht fest: Die noch im Koalitionsvertrag vereinbarte Einführung einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften, wird es in dieser Wahlperiode ohnehin nicht mehr geben. Grund dafür ist, dass dem federführenden Bundesgesundheitsminister erst sehr spät auffiel, dass der geplante staatliche Handel gegen internationale Abkommen und vor allem gegen Europarecht verstoßen könnte.

Das insoweit noch ausstehende Säule-2-Gesetz sieht daher nur regionale Modellvorhaben mit kommerziellen Lieferketten vor und soll voraussichtlich der EU-Kommission noch zur Prüfung vorgelegt werden. Eigentlich hatte Lauterbach das Gesetz für "nach der Sommerpause" angekündigt. Im Dezember 2023 existiert hierzu jedoch noch nicht einmal ein Eckpunktepapier.

all 50 comments
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[–] Hubi@feddit.de 80 points 11 months ago (2 children)

Es ist immer nur von der "Fraktionsspitze" die Rede. Ich wüsste gerne, welche Politiker konkret dafür verantwortlich sind.

[–] DrFuggles@feddit.de 2 points 11 months ago

Mein Geld ist auf Fechner.

[–] Haven5341@feddit.de 58 points 11 months ago (6 children)

Ich hab denen früher wirklich mal meine Stimme gegeben. Aber wir machen alle Fehler. Wichtig ist, dass man solche Fehler nicht wiederholt.

[–] lea@feddit.de 26 points 11 months ago (1 children)

SPD bei der BTW 21 strategisch zu wählen war leider gar nicht so dumm, hab's selbst nicht gemacht aber es nachvollziehen können. Leider wird für ihre Fehler, und die Fehler der FDP, jetzt der gesamte mittellinke Flügel aufkommen. Ist ein einfacher Sündenbock.

[–] Bibez@lemmy.ml 4 points 11 months ago (1 children)

"Strategisch zu wählen" ist immer eine dumme Idee.

[–] manucode@infosec.pub 8 points 11 months ago (1 children)

Strategielos zu wählen ist besser? Politik bedeutet immer Kompromiss, außer vielleicht in einer Diktatur (aber wahrscheinlich selbst dort). Die eigene Stimme kann man nur dazu einsetzen, Kompromisse zu erreichen, die einem besser gefallen als die Alternative.

Strategisch zu wählen ist nicht das Gegenteil davon, ideologisch zu wählen. Nur wer sowohl bereit ist, für den Kompromiss zu stimmen, aber auch bereit ist, sich abzuwenden, wenn die andere Seite ihrerseits kompromisslos bleibt, kann was erreichen.

Das heißt nicht, dass man der SPD nicht vorwerfen sollte, zu schnell einzulenken und den Kompromiss zu sehr zu suchen. Aber ein bisschen Strategie gehört halt auch dazu.

[–] Bibez@lemmy.ml 2 points 11 months ago* (last edited 11 months ago) (1 children)

Ich weiss nicht, ob wir den Begriff gleich benutzen.

Ich rede auch nicht über meine Verachtung der SPD gegenüber.

Strategisch zu wählen bedeutet für mich nicht den eigentlich eigenen Ansichten nach zu stimmen, sondern einer wie auch immer gearteten Strategie nachzulaufen und dadurch in der Gruppendynamik erst zu zementieren, dass sich nichts ändert.

Eine polemische Überspitzung: Es gibt eine kleine Nischenpartei, die alle geil finden aber jeder denkt sich insgeheim "Wenn ich die wählte, wäre meine Stimme verloren. Daher wähle ich lieber strategisch das geringste etablierte Übel."

[–] manucode@infosec.pub 1 points 11 months ago* (last edited 11 months ago)

Ich glaube, wir haben ein ähnliches Verständnis vom Begriff strategisch wählen.

Ich glaube einfach ~~nicht~~, dass wenn eine solche Nischenpartei existiert, die sehr vielen gefällt, das daran liegt, dass sich diese Partei bisher einerseits auf wenige Kernforderungen konzentrieren konnte, und sie andererseits bislang keine Kompromisse eingehen musste, um regieren zu können. Sobald so eine Partei größer werden würde, würde sie dann doch für viele ihrer Unterstützer wieder nur das geringere Übel sein, so wie die etablierten Parteien. Das ist einfach deshalb so, weil unsere Gesellschaft ziemlich divers ist, und es keine einzelne Lösung gibt, die allen, oder auch nur der Mehrheit, gefällt.

Was das strategische Wählen und das Wählen nach dem eigenen Gewissen anbelangt, braucht es beides. Wählergruppen, die nie strategisch wählen, sind für Parteien, die regieren wollen, uninteressant, da die sie eh nicht erreichen können. Bei Wählergruppen, die immer strategisch wählen wiederum, können sich dieselben Parteien darauf verlassen, dass sie bloß das geringste Übel sein müssen, um gewählt zu werden.

[–] Guildo@feddit.de 17 points 11 months ago

Über 100 Jahre Erfahrung im Verrat und es gibt immer noch Leute, die drauf reinfallen. 👍

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[–] CyberEgg@discuss.tchncs.de 52 points 11 months ago

SPD setzt FDP ein. Politik ist verwirrt.

[–] fuzzy_feeling@programming.dev 52 points 11 months ago (1 children)
[–] Peter_Arbeitslos@feddit.de 38 points 11 months ago

Sozialdemokraten!

[–] Rotkehle@feddit.de 48 points 11 months ago (1 children)
[–] slevinkelevra@sh.itjust.works 7 points 11 months ago

Tja wenn die Parteispitze nicht die Kapitulation der Ukraine fordern würde (ob "privat" macht hierbei keinen Unterschied, wenn es quasi eine Ein-Mann-Partei ist), wäre ich auch Mitglied geblieben.

[–] tryptaminev@feddit.de 37 points 11 months ago (2 children)

Und mal wieder genial kommuniziert. Mit der aktuellen Haushaltsthematik hätte man ein gutes Argument für die Verschiebung gehabt, unabhängig von den tatsächlichen Intentionen. So wird das ganze wieder nur als eine unfähige Ampel wahrgenommen, die ihre Versprechen nicht einhält. Und jungen Wählerinnen und Wählern wird gezeigt, dass ihre Interessen in dieser Republik eh nichts mehr bedeuten.

[–] woelkchen@lemmy.world 11 points 11 months ago (1 children)

Oder man könnte es legalisieren und stark besteuern und zusehen wie das Geld in die Kassen kommt.

[–] Syntha@sh.itjust.works -1 points 11 months ago (1 children)

Nein, das könnte man nicht

[–] woelkchen@lemmy.world 3 points 11 months ago

Ach so, na dann ist ja alles bis ins letzte Detail geklärt.

[–] taladar@feddit.de 10 points 11 months ago (1 children)

Ich denke Cannabis ist eher ein Randgruppen aller Altersstufen Thema, nicht so sehr etwas was speziell junge Wähler interessiert.

[–] tryptaminev@feddit.de 9 points 11 months ago (1 children)

Ich denke schon, dass das Thema bei jüngeren Wählern mehr Relevanz hat.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1280649/umfrage/umfrage-zur-cannabislegalisierung-in-deutschland-nach-alter-und-geschlecht/

Die Zustimmung ist zumindest bei Jüngeren (und deren Eltern 50-64 Jahre) deutlich höher. Und auch in den anderen Altersgruppen gehe ich stark davon aus, dass es nur wenige gibt, die bei einer Legalisierung sehr aktiv dagegen sind und sich davon in ihrer Wahlentscheidung beeinflussen ließen.

[–] TwoCubed@feddit.de 1 points 11 months ago

Bin 41. Ich will doch einfach nur legal entspannen können. Heute ist mir die Legalisierung wichtiger als früher. Früher fand ich es sogar eher cool, weil es illegal war.

[–] NotAPenguin@kbin.social 35 points 11 months ago* (last edited 11 months ago) (1 children)

I was really hoping the legalizing in Germany would go well and set an example for the rest of Europe but of course it couldn't be that easy..

I was also selfishly hoping that Germany legalizing would flood the Danish market with good weed.

Viel Glück, Leute!

[–] nerdovic@feddit.de 2 points 11 months ago

Literally nothing is easy in Germany. Everything is slowed to a crawl by endless bureaucracy and debates.

[–] Bibez@lemmy.ml 31 points 11 months ago

Die SPD fällt mal wieder um. Surprise

Ich wundere mich immer, wo die Leute herkommen, die der SPD auch nur ein Wort glauben.

[–] Send_me_nude_girls@feddit.de 25 points 11 months ago

War klar, sie brauchen das noch als Zugpferd für die nächste Wahl.

[–] Shialac@lemmy.world 22 points 11 months ago

SPD gonna SPD

[–] Blaubarschmann@feddit.de 16 points 11 months ago

Warum bin ich nicht überrascht? Irgendwie klingt das ganze Vorhaben zu gut um wirklich wahr zu sein. Ich glaube es erst wenn die Leute anfangen offen mit Joints rumzulaufen

[–] RedPandaRaider@feddit.de 16 points 11 months ago (2 children)

War irgendwie schon klar. Wahlversprechen für Wählerstimmen sind immer Lügen. Warum sollten unsere Politiker beim Thema Cannabis nicht auf einmal Beruflügner sein?

[–] Syntha@sh.itjust.works 2 points 11 months ago

Welches Wahlversprechen? Die SPD hat nie mit einer Legalisierung geworben.

[–] Lemmchen@feddit.de 1 points 11 months ago (3 children)

Sorry, aber das ist übelste Polemik. Das ist Wasser auf die Mühlen der Populisten.

[–] teichflamme@lemm.ee 2 points 11 months ago

Wären diese Populisten nach der Logik nicht einfach andere Lügner?

[–] flei@feddit.de 1 points 11 months ago
[–] RedPandaRaider@feddit.de -2 points 11 months ago

Und was ist daran falsch? Populismus ist nur schlimm wenn er Rechten dient.

[–] rustyfish@lemmy.world 15 points 11 months ago

Winds of Winter kommt ganz bestimmt bald! Ganz sicher!

[–] Dirk@lemmy.ml 11 points 11 months ago

NA so eine Überraschung. Bubatz auch weiterhin nicht legal.

[–] teichflamme@lemm.ee 6 points 11 months ago

Diese Regierung blamiert sich schon echt wo sie nur kann